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Schneekropole Hauptfriedhof Mainz

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Ich liebe Schnee. Er bringt Ruhe und legt einen weißen Mantel der Stille über die Welt, der alle Geräusche dämpft. Dagegen kommen selbst Städte mit ihrem Lärm nicht an. Ich stelle mir manchmal den Schnee als großen, weißen Mann vor, der an einem Mischpult steht. Mit der rechten Hand schiebt er den Schnee-Regler voll nach oben, mit der linken zieht er den Lautstärkeregler bis zum Anschlag nach unten und gleich darauf blendet er mit dem Crossfader noch etwas Wind darüber. Fertig ist der Schneegestöber-Mix! 😉

schnee-grablichtMainz sieht mit Schnee besser aus als ohne. Das mag daran liegen, dass es im 2. Weltkrieg zu 80% zerbombt wurde. Bausünden der Nachkriegszeit verstecken die doch recht schöne Mainzer Altstadt, ein einladendes Rheinufer geht auch besser (z.B. wie in Wiesbaden gegenüber oder in Bonn) und heute wird mit modernen Sichtbeton-Häusern bis in die Außenbezirke nachverdichtet was das Zeug hält – Hauptsache, es kommt Geld ins Stadtsäckl! Aber ich will nicht nur lästern, das ist ja immer einfach, wenn man viel (besseres) kennt, denn Mainz & sein Umland hat etwas ganz Besonderes: Menschen mit einer sehr herzlichen, entspannten Lebensart. Vielleicht liegt es ja am Wein – die Meenzer sind wohlwollend direkt und freundlich. Man fühlt sich irgendwie gleich willkommen und gemocht – oder auch geliebt 😉 und so bin ich geblieben.

In Mainz soll es an die 20 Parks & Grünanlagen geben, von denen sich mehr als die Hälfte bisher gut vor mir versteckt hat. 😉 Aber immerhin eine Grünanlage kenne ich sehr gut und seit den letzten Rauhnächten sogar in weiß: den Hauptfriedhof Mainz.

Obwohl seine Lage etwas pietätlos ist, kümmert das den Hauptfriedhof Mainz nicht im geringsten. Er ist am längsten von allen hier gelegen, direkt am Hang ins Zahlbacher Tal. Oberhalb befindet sich der Universitätscampus, unterhalb die psychiatrische Klinik und gegenüber das Uni-Krankenhaus Mainz. Die Toten liegen also hübsch zwischen den Jungen und den Kranken. Krankentransporte per Hubschrauber gurgeln regelmäßig durch die Friedhofsluft und als Friedhofsbesucher bin ich davon immer unangenehm berührt. Nicht nur, weil es die friedhöfliche Stille stört.

hauptfriedhof-mainz

Schon seit die Römer die Siedlung „Moguntiacum“ am Rhein errichtet haben wurde hier bis 8 n.Chr. fleißig bestattet und im frühen Mittelalter begrub man einige der Mainzer Bischöfe auf diesem Totenfeld, darunter auch den Märtyrer Aureus (Mainz). Daher stammt der Mainzer Ausspruch „Komm wir gehen zum Aureus“ für einen Besuch auf dem Hauptfriedhof Mainz. Ältere Mitbürger sagen heute noch schlicht „Aureus“ zu ihm.

mutter-kind-grabstatueOffiziell gegründet wurde der Mainzer Hauptfriedhof  jedoch erst während der napoleonischen Besatzungszeit 1803. Der älteste noch erhaltene Grabstein stammt aus dem Jahre 1805. Insgesamt sind über 230 Grabsteine und Bauwerke auf dem Hauptfriedhof Mainz denkmalgeschützt. Viele über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Mainzer Persönlichkeiten wurden auf dem Aureus bestattet, so z.B. der Komponist Peter Cornelius, der Architekt und Dombaumeister Joseph Laské, Fritz Straßmann, einer der Entdecker der Kernspaltung, der Maler Philipp Veit und noch zwei Vertreter der anregenden Schaumwein-Zunft: Adam Henkell und C.A. Kupferberg. Zugegeben sind das die einzigen beiden, die ich wirklich kenne, wenn auch nicht persönlich. Bei den anderen Toten fällt mir auf, was auch für meine lebendigen Mitmainzer gilt: viele wurden in Mainz geboren und starben „ebenda“, wie es die Wikipedia so schön sagt. Der Mainzer ist verwurzelt und lebt hier, bis dass der Tod ihn von seiner Stadt scheidet!

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Eine Star-Nekropole

Jetzt, wo ich daheim in meinen warmen Gemächern vor mich hin recherchiere, bin ich nur noch am Staunen. Wer hätte gedacht, dass der Hauptfriedhof Mainz Vorbild für den ein Jahr später angelegten Friedhof Père Lachaise in Paris war? Dieser kleine Friedhof hier in Meenz mit seinen gerade mal 0,2 Quadratkilometern? Was genau hat man sich wohl abgeschaut? Viele Parallelen zum Père Lachaise kann ich nicht erkennen, bis auf die zwei beachtlichen Gruftstraßen und seine terassenartige Anlage mit Wegen am Hang bis hinunter ins Tal.

Der "Sternengarten" - trauriger Friedhof für früh- und nicht-geborene Kinder
Der „Sternengarten“ – trauriger Friedhof für früh- und nicht-geborene Kinder

 

Doch nicht genug der Ehre. Der Mainzer Hauptfriedhof ist eine Berühmtheit, er lässt es nur nicht so raushängen. Im Jahre 2005 wurde er in die Liste der bedeutendsten Friedhöfe Europas aufgenommen, eine Auszeichnung der European Association of Significant Cemeteries. Und 2012 bei der Wahl der schönsten Friedhöfe Deutschlands wurde der Hauptfriedhof Mainz Dritter – nach dem Ohlsdorfer Friedhof und dem Waldfriedhof in München. Ich bin froh, zumindest andächtig über die verschneiten Friedhofswege gestapft zu sein.

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Mut zur Trauer

schoene-grabstatue-im-schnee

Sei traurig, wenn du traurig bist,

und steh nicht stets vor deiner Seele Posten!

Den Kopf, der dir ans Herz gewachsen ist,

wird’s schon nicht kosten!

Erich Kästner

 

 

 

Richtig fette Gruften an den Mainzer Friedhofsstraßen
Richtig fette Gruften an den Mainzer Friedhofsstraßen

 

Eigenartig-einzigartige „Spar-Gruften“

Die „Spar-Gruften“, wie ich sie immer liebevoll bezeichne, sind eigentlich das genaue Gegenteil davon, aber irgendwie sehen sie so aus. Doch auch das hat eine Geschichte. Auf dem Hauptfriedhof Mainz gibt es zwei üppig bestückte Gruftenstraßen. Sie haben pompöse, wunderschöne Gruften wie man sie kennt und dazwischen aber auch Gruften, bei denen nur die vorderen Fassaden oder Gruftportale stehen – dahinter ist eine eingezäunte, flache Gruftenabdeckung mit einem ‚Abzug‘ für den Leichengeruch. Diese nenne ich immer die  „Spar-Gruften“, weil es so aussieht, als hätte man sich aus Kostengründen die restlichen 3 Gruftenwände und eine Kuppel darauf sparen wollen.

Alles nur Fassade bei den "Spar-Gruften"? Mitnichten!
Alles nur Fassade bei den „Spar-Gruften“? Mitnichten!

 

Ab nach unten! Treppe in einer Backofen-Gruft
Ab nach unten! Treppe in einer Backofen-Gruft

Das ist aber Kappes, wie der Mainzer sagen würde. Diese Gruftportalwände wurden in den Jahren 1850-1879 auf dem Mainzer Hauptfriedhof erbaut und sie sind wohl zurückzuführen auf einen langjährigen Disput, der der neuen Friedhofsordnung von 1850 vorausgegangen war. Eine eigens von der Stadt eingerichtete Kommission beschäftigte sich damals mit „infizierter Luft“ und der damit einhergehenden Seuchengefahr. Das Öffnen der bereits bestehenden 22 Gruften sollte sogar bei Gefängnisstrafe verboten und die Errichtung von (Familien-)Gruften untersagt werden. Durch den Einfluss wohlhabender Bürger fand man jedoch eine andere Gruften-Form, nämlich eine nach „Backofen-Bauart“, bei der für jede Bestattung/Sarg eine separate Kammer gegeben war. Überdacht wurde die Gruft mit einer Treppe, die von der Portalwand nach unten zu den Kammern führte. Die Portalwände sowie die Einfriedungen dahinter wurden reich verziert, die Treppen auch – so hatte das Bürgertum wieder das, was ihnen als angemessen im Tode erschien.

Backofen-Gruft

Da fehlt doch was! Blick in die Backofengruft... Danke für das Foto an Ariada Maledica
Da fehlt doch was! Blick in die Backofengruft… Danke für das Foto an Ariada Maledica

Mir erscheint der Hauptfriedhof Mainz auch als äußerst angemessen zum Entdecken, Sinnieren, Entspannen und für das Inhalieren von Stadtgeschichte.

Entdeckten lässt sich beispielsweise das alte Krematorium erbaut 1903 vom Verein für Feuerbestattung in Mainz. Es sollte alle Vorbehalte erbitterter Gegner der Feuerbestattung ausräumen und ihr einen ‚monumentalen Ausdruck‘ verleihen. Gegner war vor allem die katholische Kirche, die darin den Sieg der „materialistischen Gesinnung“ über die christliche Begräbnistradition sah und bis 1963 (!) ihren katholischen Kirchendienern untersagte an Feuerbestattungen teilzunehmen oder einer Person, die so bestattet werden wollte, das Sterbesakrament zu spenden.

Das alte Krematorium - erbaut vom "Verein für Feuerbestattung in Mainz"
Krematorium, erbaut 1903 vom „Verein für Feuerbestattung in Mainz“

 

Gräber finden per App „Wo sie ruhen“

Lang ersehnt und seit November 2014 ist sie endlich da – die Friedhofs-App zur Gräbersuche! Wie oft habe ich mir sowas gewünscht, denn manche Gräber berühmter Personen oder so manches Kleinod an Sepulkralkultur findet man nur durch Zufall oder gar nicht. Die kostenfreie App trägt wie die Website den Namen WO SIE RUHEN und enthält für bisher 37 historische Friedhöfe in Deutschland Informationen zu rund 1.000 kulturhistorisch bedeutenden Grabmalen. Per Smartphone oder Tablet können wir zu den einzelnen Gräbern navigieren und uns vor Ort am Grab eine Audio-Datei anhören oder nachlesen. Die Texte wurden von Autoren verfasst, die sich intensiv mit dem jeweiligen Friedhof beschäftigt haben und vorgelesen vom Schauspieler/Rezitator Hans-Jürgen Schatz. Zugang bekommt ihr mit einem QR-Code, der jeweils am Eingang des Friedhofes oder an der Informationstafel zu finden ist.

grabstatue-unter-der-haubeAuch der Mainzer Hauptfriedhof hat die Appsolution erhalten und ist mit einigen seiner berühmten Gräber in WO SIE RUHEN vertreten. Direkt vor Ort konnte ich es leider nicht ausprobieren, dafür war zu viel Schneegestöber. 😉

Wer also zur nächsten Elektronischen Nacht nach Wiesbaden kommt und motorisiert ist, könnte hier auf dem wunderbaren Hauptfriedhof Mainz einen Besuch einplanen. Riesig ist er wie gesagt nicht –  in einer anderthalben Stunde kann man alles gesehen haben. Doch das verlorene Glück der Toten ist oft mehr unserer Lebenszeit zum Verweilen wert. Der Tod ist das Tor zum Leben.

Ich und das verlorene Glück - Hauptfriedhof Mainz im Frühjahr 2014 (Foto: clerique noire)
Ich und das verlorene Glück – Hauptfriedhof Mainz im Frühjahr 2014 (Foto: clerique noire)

 

Quellen und weitere Infos: Wikipedia über den Hauptfriedhof Mainz + Nekropolis Moguntia e.V.

Seit Dez 2014 gibt es einen Bildband „Mainzer Hauptfriedhof – Ein Spaziergang durch die Gärten der Vergänglichkeit“ von Elizabeth Kott mit Fotografien, Gedichten und Texten ihres Mannes. Mit ihm hat sie viele Stunden auf dem Mainzer Hauptfriedhof verbracht und seine Werke 7 Jahre nach seinem Tod veröffentlicht.

 

Route planen zum Hauptfriedhof Mainz

Wer gut zu Fuß ist, kann den Hauptfriedhof Mainz vom Hauptbahnhof Mainz in einer Viertelstunde erlaufen. Es gibt drei Eingänge zum Hauptfriedhof Mainz:

  • Saarstraße (auf der Seite der Universität)
  • Untere-Zahlbacher-Straße (siehe Google Maps hier unten)
  • Albert-Schweitzer-Straße (gegenüber vom Uni-Campus)

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GOTHIC GUIDE – Hauptfriedhof Mainz

Eine Seite für euch mit den wichtigsten Infos – zum Herunterladen & Mitnehmen auf Reisen: Lage und Öffnungszeiten Hauptfriedhof Mainz

 

 


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